Rückblick Wanderreise Bergamasker Alpen (Lombardei) 11. – 19. Juni 2022

Schlaglichter einer Bergwanderwoche in der Valle Brembana

Samstag: Fahrt nach Bergamo und Wanderung Valleve – Branzi

Nach der obligatorischen Inno Nazionale sind die 40 Wanderlustigen in Italien angekommen: Como ist ganz schön voll. Am See ist es dennoch schön und das Eis lecker.

Im Hotelstandort Branzi wird erstmal die Nachmittagswanderung gekürzt und der Zeitplan entspannt. Gut so, denn das wäre für manche am ersten Tag zu viel. Dafür muss der Bus wenige Kilometer durch enge Stellen ran. Thomas hupt sehr häufig in der Woche! Der Gefahrenzuschlag ist mehr als verdient. Die Trattoria-Bar in Valleve macht gerade Ferien, so wie einiges nicht so geöffnet hat oder stattfindet wie recherchiert. So schöne Höhenwege an traumhaften Blumenwiesen finden wir vor und die steilen Wiesenwege abwärts sind frisch gemäht: Volontari (Freiwillige) werden zum Mähen gesucht, wie uns der Mann noch mit dem Freischneider in der Hand erläutert. Kommt uns irgendwie bekannt vor. Na, hier sind wir die Touristen und er bekommt den Daumen hoch für seinen Einsatz. Einige behaupten, da sei ein Schirm in seinem Garten und das sei eine Wirtschaft! Und an dem Türle hänge auch ein Schild… Leider keine Getränkekarte, sondern „Das Tor schließen“ (Chiudere il cancello).

Weil wir an dem Tag noch nicht genug auf den Beinen gewesen sind, schließt sich abends kreatives Anstehen am unerwarteten Antipasti-Salate-Büffet an.

Wir parken zwischen beiden Hotels auf der großen Piazza delle Caduti mit dem Denkmal der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege: Pedretti, Molinari, Ambrosioni heißen die Leute hier. Den Bus sollen wir nicht direkt vor das Denkmal stellen. Das leuchtet uns ein. Aus Platzmangel – die Pkws stellen sich alle an den Rand der Piazza – geht das nicht immer. Die benachbarten Carabinieri lassen sich nie blicken.

Sonntag: Monte Gioco – Val Serina – San Pellegrino Terme SPT

Weitere Kurvenprobe hinauf nach Dossena. Oben in Corone gibt es aber viel Platz auf dem Pkw-Parkplatz für den Bus. Nach moderatem Beginn geht es schweißtreibend auf den Berg Zucchin. Die neue Ponte Tibetano von Dossena, eine sehr luftige Hängebrücke mit Angurten, angeblich die längste ihrer Art in der Welt, haben wir halb im Blick. Eine spätere Unterhaltung des Autors mit einem örtlichen Guida ist der von uns gewählte Weg der „große“ Anstiegsweg zum noch höheren Monte Gioco der Gruppe A: Anerkennung der Einheimischen hierfür. Danke. Die familiengeführte Bar in Lepreno verzeichnet kurzfristig Umsatzrekorde, nachdem der Abrechnungsmodus erfolgreich umgesetzt werden konnte. In Italien zahlt ein Tisch nicht getrennt. Das wissen wir eigentlich… Außer jede/r steht auf und zahlt an der Kasse.

Wie willkommen ein Wasserhahn am Busparkplatz doch sein kann! Bei der Rückfahrt darf Thomas mit spektakulärer Fahrt durch die Serinaschlucht glänzen.

SPT: Manche kühlen die Füße im seichten Brembo-Fluss, manche strecken dieselben unter die Tischchen des besten Hauses am Platze, dem Bigio – in Italien bekannt für seine Pasticceria. Die mindestens so teure wie exclusive neue „QC-Terme“ gibt es für die Schwaben nur von außen: „Zwenig Zeit, sonscht wäret mir neiganga.“

Ach ja, was der einheimische Naturführer noch fragte: „Wie seid Ihr überhaupt auf unser Gebiet gekommen?“ Hintergrund: Es gibt dort keine deutschen Touristen, drumherum am Comer See, im Veltlin, am Iseosee oder in Bergamo aber natürlich schon. „Das ist eine längere Geschichte und hat sich entwickelt. Zunächst suchten wir ein Ziel, das die Lombardei repräsentiert…“

Montag: Passo San Marco, der Übergang ins Veltlin

Bis auf 1850 m mit dem Bus. Wohlfühlwanderungen B: Pass 1, See, Pass 2, wie man möchte. Der Bus wartet in der Aussichtsloge vor dem Rifugio San Marco 2000. Etwas angespannt bei Gruppe A: „Sorry, dass ich das Tempo für die lange Rundwanderung einigermaßen hochhalten muss.“ „Des han I gmerkt.“ Um bei Kräften zu bleiben, darf die Mittagsrast auch mal vor der Tourhälfte sein. Nein, die Hälfte ist noch nicht geschafft, wir rasten nochmals (theoretisch). Vom fast leeren Lago di Pescegallo – wenig Schnee, viel zu wenig Regen – kurz weglos abwärts querend wieder auf den knackigen Anstiegsweg zum Pass 3. Das Wetter hält auch die nächsten An- und Abstiege, nur ein paar Tropfen. Weiße Blumenhänge Narzissenblütiger Anemonen. Viel zu sehen ist auch die Schwefelgelbe Küchenschelle uvm. Den Bus sehen wir schon 1½ h vor dem Ziel. Zur Einkehr im Rifugio reicht es auch den Langwander*innen noch.

Dienstag: San Simone – Passo Tartano – Foppolo

Heute sind alle zusammen in einer Wanderung unterwegs, ausgenommen die zum Bus Umkehrenden. Kleine Extratouren um die Mittagspause sind möglich. Aber irgendwie passt anschließend die ursprüngliche Erkundung vom Zielpunkt Foppolo aus nicht mit dem jetzt ab der Passhöhe eingeschlagenen Weg zusammen. Nach groben Blockfeldern geht es eine ganze Weile – vorne die geeignete Linie suchend – weglos, dafür umso steiler über Latschen, Alpenrosen, Heidelbeeren, „Graswatzen“ und fies darunterliegende Steine abwärts, bis alle 33 mehr oder weniger gezeichnet den ersehnten Wanderweg erreichen. Mea culpa! Schutzengel und viele Helfer*innen in der Gruppe machen es möglich! Nur eine kleine Entschädigung durch Ginster-Pracht auf den Lichtungen beim weiteren Abstieg. Der Bus-Kaffee mit klassischen Bucaneve-Keksen wird zum Dorfplatz in Valleve zum Ausklang einer unvergesslichen (Tor-)Tour umdirigiert.

Mittwoch: (Bus-)Ruhetag

Einige wandern aber doch, den Berg hinauf oder das Tal entlang. Begegnungen in und um den Ort. Der blaue Reisebus scheint allseits registriert worden zu sein. Oder kleines Shopping in Branzi. Das Wetter wird die Woche halten, heißer als uns lieb ist.

Donnerstag: Altopiano di Bossico – Lago d’Iseo

Schöne Fahrt über den Passo Zambla zum Iseosee, aber mit dem Bus sehr langwierig. Eine Bar aus der Erkundung 2019, da halten wir an (WC…). Caffè, Cappuccino. Und unzählige Kurven. Die Kehren auf der Strada Provinciale 54 hinauf nach Bossico haben es leider in sich: Zur Sommerfrische hinauf gibt es zwar weder Längen- noch Tonnagebeschränkung, um so unerwarteter eng wird es. Mea culpa. Wie wieder runterkommen, wenn andere große Fahrzeuge entgegenkämen? Das drückt auf die Stimmung der eigentlich sagenhaft aussichtsreichen Wanderrunde hoch über dem See. Zumindest die Baustellenarbeiter nahe unserem Sportplatz-Parkplatz erwarten keine Lkw… Kurz vor dem Ende der Siesta soll es passen mit der Runterfahrt. – Die Schnellen an diesem Tag steuern auf dem Wanderweg direkt Lovere am See an: Sie haben es schon mal runter geschafft. Für die oberen Rundwanderer wird es nach der Einkehr nach heißer Wanderung vor der Busabfahrt nach Lovere angespannt. Alles soll gut werden. Beklatscht wie selten zuvor wird Thomas nach der letzten Kehre vor der Talstraße! Geschafft. Voller Überschwang winken wir bei einer Extra-City-Tour am Lungolago von Lovere der schon wartenden Gruppe B zu, ehe wir sie im Verkehrstrubel am See zusteigen lassen können. Noch ein Zwischenstopp am Ufer des Lago di Endine, um runterzukommen. Den Tag würde ich so nicht mehr planen…

Bei der Rückfahrt ein Vorgeschmack auf Bergamo mit kleinen Staus in seinen Vororten.

Freitag: Bergamo – Città Alta und Città Bassa

Viel Zeit gibt es zur freien Verfügung, wenn wir – als Wandersleute, dachte ich – in der Hitze die Steigungen und Stufen der Scaletta Fontanabrolo zur Oberstadt geschafft haben werden. Auch dies bringt uns wenigstens den Respekt unserer Stadtführerin Tosca ein. Das Stracciatella-Eis (in Bergamo erfunden) sollte probiert sein. Tosca de Rossi weiß lebhaft vieles an Besonderheiten ihrer Stadt zu berichten: Ihre geliebte Basilika, das Verhältnis von Kurie, Presse und Verwaltung, die Stadtviertel und Brunnen, die Beziehung zu Venedig, Handelswege usw. Wir waren schon kurz vor der Pandemie in Kontakt, im Hoffen und Bangen haben wir uns immer wieder mit Bergamo beschäftigt.

Von den Mauern der Oberstadt schweift der Blick über die Neustadt, das Atalanta-Stadion und den Flughafen Orio al Serio bis in die Po-Ebene. Dicht besiedelt und mit großer Wirtschaftskraft ausgestattet ist Italien hier.

Samstag: Carona – Pian del Lago bzw. 5 Laghi – Rifugio Laghi Due Gemelli – Branzi.

Am letzten Wandertag ist die Gruppe wieder etwa hälftig in 2 Wanderungen geteilt: Ab dem Lago di Carona geht es in einer Goldregenorgie (Maggiociondolo = „Maibaumler“) im Juni talaufwärts an Wasserfällen vorbei und auf einem Höhenweg wieder zurück. Die andere Gruppe macht die 5-Seen-Runde mit Rast am äußerst belebten Rifugio Laghi Due Gemelli: Laghi Becco, Colombo, Due Gemelli, Marcio, Pian Casere, allesamt Stauseen. Der 1000 m-Schlussabstieg nach Branzi ist nochmals mit allerlei Blumen geschmückt und führt am Branzi-Wasserfall vorbei.

Auch an diesem 4. Abend schmeckt das Essen im Hotel Corona (Krone !) wieder sehr gut. Zu Beginn haben wir 4 Abende gemeinsam im ebenso beteiligten Hotel Pedretti gegessen.

Sonntag: Rückfahrt nach Hayingen

Die Eventualposition „Spaziergang am Lago di Annone“ opfern wir übereinstimmend der Hitze. Das ist gut so, denn die Bernhardino-Strecke hat einiges an Staus für uns parat.

Jürgen Haible